Publiziert am:
26. Juli 2023
Fristen für den Übergang der Zertifizierung von MDD zur MDR
Am 20. März 2023 wurde die Verordnung (EU) 2023/607 veröffentlicht, um den Übergang von der MDD (und AIMDD) zur MDR-Zertifizierung von auf dem Markt befindlichen Produkten zu erleichtern und die Verfügbarkeit von Medizinprodukten auf dem europäischen Markt zu gewährleisten. Hersteller von Produkten, die nach der Medizinprodukterichtlinie (MDD) zertifiziert sind (sog. “legacy devices” gemäß Artikel 120 der MDR) können nun von längeren Fristen für den Übergang von einer MDD-Zertifizierung zur MDR profitieren. Um von dieser Verlängerung profitieren zu können, sollten einige wesentliche Punkte genauer beachtet werden:
Verlängerung der Gültigkeit von MDR-Zertifikaten:
Alle Zertifikate, die am 20. März 2023 nicht abgelaufen waren, wurden per Definition bis zum 31. Dezember 2027 (für implantierbare legacy devices der Klassen III und IIb) bzw. bis zum 31. Dezember 2028 (für andere legacy devices der Klassen IIb und IIa sowie der Klassen Im und Is) verlängert. Zu beachten ist, dass eine zusätzliche Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Produkten eingeführt wurde: Zusätzlich zur gültigen MDD-Bescheinigung muss der Hersteller für das einzelne Produkt (oder ein Nachfolgeprodukt) bis zum 26. Mai 2024 eine MDR-Zertifizierung beantragt haben. Die benannte Stelle kann auf dieser Basis ein Bestätigungsschreiben („confirmation letter“ im Sinne des Q&A-Dokuments der Europäischen Kommission) ausstellen, das die Gültigkeit der MDD-Bescheinigung formal bestätigt.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verlängerung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, um von der neuen Übergangsfrist zu profitieren. Die Hersteller müssen:
- bis 26. Mai 2024 ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) gemäß MDR einrichten;
- bis 26. Mai 2024 einen förmlichen Antrag auf Konformitätsbewertung gemäß MDR stellen;
- bis 26. September 2024 eine von der Benannten Stelle und dem Hersteller schriftliche Vereinbarung für die Konformitätsbewertung nach der MDR unterzeichnet haben.
Außerdem gilt die Verlängerung der Übergangsregelung ausschließlich für MDR-Altgeräte, welche:
- die Richtlinie 93/42/EWG weiterhin einhalten;
- hinsichtlich Konstruktion oder Zweckbestimmung nicht wesentlich geändert wurden.
- keine unannehmbaren Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Patienten und Benutzern darstellen.
Mit der neuen Verordnung werden auch zusätzliche Anforderungen für Altprodukte mit abgelaufenen Zertifikaten eingeführt. Auch solche Produkte können von der verlängerten Übergangsfrist profitieren, wenn der Hersteller entweder vor Ablauf der MDD-Bescheinigung einen Vertrag mit einer benannten Stelle für die Konformitätsbewertung gemäß der MDR abgeschlossen hatte oder Ausnahmen gemäß Artikel 97 oder 59 MDR erhalten hat.
Diese Verlängerung der Übergangsfrist entspricht den Anforderungen der Medizinprodukteindustrie, die seit langem eine flexiblere Zertifizierungsfrist für MDD legacy devices gefordert hat. Dies ist zweifellos eine gute Nachricht für die Hersteller von Medizinprodukten. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, rechtzeitig zu handeln und die erste Frist bis zum 26. Mai 2024 einzuhalten, um die Einhaltung der neuen Vorschriften zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die Überarbeitung der MDCG 2020-3 (Rev. 1) zur Definition von wesentlichen Änderungen hingewiesen. Das Dokument klärt die Bedingungen, unter denen eine Änderung als “nicht signifikant” eingestuft werden kann und somit im Rahmen einer bestehenden MDD-Bescheinigung umgesetzt werden kann. Dies ist besonders wichtig für die Einführung von Produkten in den nächsten vier bis fünf Jahren, um die Sicherheit und Verfügbarkeit in der Übergangszeit zu gewährleisten.
Zusätzliche Übergangsfristen für Sonderanfertigungen:
Implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III müssen bis zum 26. Mai 2026 über eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems nach Anhang IX, Kapitel I&III MDR oder Anhang XI, Teil A MDR verfügen, um diese Produkte weiterhin auf den Markt bringen zu können.
Abschaffung der “Abverkaufsfrist”
Mit der neuen Verordnung wird die bisher in der MDR festgelegte “Abverkaufsfrist”, Artikel 120 Absatz 4 abgeschafft.
Zusätzliche Übergangsfristen für Medizinprodukte nach Anhang XVI:
Auch die Fristen für die Umsetzung der MDR für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung (Anhang XVI, MDR) wurden verlängert. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2022/2346 der Kommission wurde der rechtliche Rahmen, d.h. die gemeinsamen Spezifikationen, für die Zertifizierung von Anhang XVI-Produkten allgemein festgelegt. Die ursprüngliche Fassung wurde auch geändert, um die Übergangsfristen an die Definitionen der Verordnung (EU) 2023/607 anzupassen – diese wurde am 20. Juni 2023 als Durchführungsverordnung (EU) 2023/1194 der Kommission veröffentlicht.
Es wurde klargestellt, dass auch in diesem Fall für MDD-zertifizierte Medizinprodukte die Fristen des Art. 120 MDR (siehe oben) gelten. In allen anderen Fällen (nicht MDD-zertifizierte Produkte) werden auch die Fristen für den Übergang der Geräte zur MDR-Zertifizierung verlängert.
Voraussetzungen:
Das Produkt wurde vor dem 22. Juni 2023 rechtmäßig in der Union in Verkehr gebracht,
ist in kontinuierlicher Übereinstimmung mit den geltenden Anforderungen und
wurde nicht wesentlich geändert.
Anwendbare Fristen für Anhang-XVI-Produkte, bei denen der Hersteller eine klinische Prüfung (KP) durchführen will oder bereits durchführt:
22. Juni 2024: Bestätigung durch die zuständige Behörde gemäß Art. 70 (1) oder (3) MDR, dass der Antrag für die KP vollständig ist;
23. Dezember 2024: der Sponsor muss die KP beginnen;
1. Januar 2028: eine schriftliche Vereinbarung über die Konformitätsbewertung mit der Benannten Stelle muss unterzeichnet sein;
31. Dezember 2029: Ende der Übergangsfrist.
Anwendbare Fristen für Anhang-XVI-Produkte, bei denen der Hersteller keine klinische Prüfung durchführt:
1. Januar 2027: eine schriftliche Vereinbarung über die Konformitätsbewertung mit der Benannten Stelle muss unterzeichnet sein;
31. Dezember 2028: Ende der Übergangsfrist