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Legacy Devices

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit 2021-05-26 wurde die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (im weiteren MDD) zurückgezogen und damit ungültig. Damit einhergehend wurde gemäß Artikel 120 (1) der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (im weiteren MDR) auch die Benennung aller Benannten Stellen nach MDD und auch unsere Benennung aufgehoben.

Das bedeutet erstens, dass wir als Ihre Benannte Stelle gemäß MDD keine neuen Zertifikate oder Erweiterungen von Zertifikaten mehr ausstellen können. Die Gültigkeit der bisher ausgestellten Zertifikate bleibt weiterhin bestehen, wenn diese gemäß Artikel 120 (3) MDR, letzter Satz, einer angemessenen Überwachung durch die Benannte Stelle unterliegen.

Zweitens bedeutet diese Situation auch, dass ein wesentlicher Bestandteil des Zertifizierungsvertrages weggefallen ist, da mdc keine Benannte Stelle nach MDD mehr ist. (Die Benennung als Benannte Stelle nach MDR sowie IVDD ist davon unberührt und bleibt weiterhin bestehen!) Daher werden wir in den nächsten Tagen mit einer Zusatzvereinbarung zu dem existierenden Zertifizierungsvertrag auf Sie zukommen, um die nach Artikel 120 (3) MDR geforderte Überwachung auf einer vertraglich fundierten Basis zu ermöglichen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Gültigkeit der ausgestellten Zertifikate nach MDD.

 

Des Weiteren möchten wir Sie mit dieser Aussendung über neue MDCG-Guidance-Dokumente informieren. Die MDCG-Guidance-Dokumente stellen eine Hilfestellungen zur harmonisierten Interpretation des Gesetzestextes der MDR durch die europäische Kommission und zuständigen Behörden dar. MDCG-Guidance-Dokumente sollen bei der Umsetzung eines QM-Systems sowie bei der Erstellung und Pflege der Technischen Dokumentation berücksichtigt werden.

Mit 2021-10-21 wurde das lange erwartete MDCG 2021-25[1] über den Umgang mit „Legacy Produkten“ veröffentlicht. Unter „Legacy Produkten“ werden dabei solche Produkte verstanden, welche eine Zertifizierung nach MDD besitzen und in der, gemäß Artikel 120 (3) MDR genannten Übergangsfrist, unter den dort genannten Voraussetzungen noch bis zum Ende der Laufzeit des jeweiligen Zertifikats bzw. der Übergangsfrist unter MDD-Anforderungen in Verkehr gebracht werden dürfen. Solche Legacy Produkte können weiterhin in Verkehr gebracht werden, sofern die Sicherheit und Leistungsfähigkeit unter den Vorgaben der MDD belegt ist. Wir haben dazu schon mehrere News-Artikel auf unserer Homepage veröffentlicht, auf die wir hinweisen dürfen z.B.

Die Vorgaben des Artikels 120 (3) MDR enthielten jedoch in einigen Punkten einen Interpretationsspielraum, welcher durch das MDCG 2021-25 klargestellt wurde.


1. Verantwortliche Person nach Art. 15

Erste und wichtigste Klarstellung ist, dass für diese Legacy-Produkte keine „für das Einhalten der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person“ (PRRC gemäß Art. 15 MDR bzw. IVDR) benannt werden muss.

Diese Regelung des Artikel 15 MDR und IVDR löst in Deutschland und Österreich die Notwendigkeit der Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten ab. Die bisherige Anforderung zur Benennung eines Sicherheitsbeauftragten (z.B. nach § 31 MPG bzw. § 78 österr. MPG 1996) besteht seit 2021-05-26 nur noch für Hersteller von In-vitro-Diagnostika; das MPDG[2], wie auch das österreichische MPG 2021[3] enthalten diese Forderung nicht mehr. Wir empfehlen dennoch weiterhin, dass auch Hersteller, welche ausschließlich „Legacy-Produkte“ in Verkehr bringen, die Prozesse anpassen. Insbesondere sollten die Verantwortlichkeiten für das Erfüllen der Meldepflichten eindeutig einer „Verantwortlichen Person“ zugewiesen werden. Da diese Person jedoch rechtlich noch nicht verpflichtend ist, sehen wir es ebenso noch nicht verpflichtend, dass die in der MDR genannten Qualifikationsanforderungen vollinhaltlich eingehalten werden.

Handelt es sich bei dem Unternehmen um einen Hersteller von Produkten der Klasse I, welche seit 2021-05-26 vollinhaltlich der MDR unterliegen (also keine Höherklassifizierung durch die MDR), so sind die Vorgaben des Artikels 15 MDR in jedem Fall vollinhaltlich anwendbar.


2. Regelmäßig aktualisierter Sicherheitsbericht – PSUR nach Art. 86

Eine weitere Klarstellung betrifft die Vorgaben für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen – Post Market Surveillance (PMS). Die Anforderungen der Artikel 82 bis 86 MDR sowie des Anhang III müssen seit 2021-05-26 durch jeden Hersteller von Medizinprodukten erfüllt werden. Das bedeutet, dass auch für Legacy-Produkte ein PMS-Plan erstellt und als Bestandteil der Technischen Dokumentation dokumentiert werden muss. Die detaillierten Inhalte sind im Anhang III der MDR vorgeben.

Die zweite Anforderung ist, dass gemäß den Vorgaben dieses Planes für alle Medizinprodukte der Klassen IIa, IIb und III gemäß Artikel 86 MDR ein „regelmäßig aktualisierter Bericht über die Sicherheit“ (PSUR) erstellt und aktualisiert werden muss. Durch das MDCG-Guidance-Dokument wurde eindeutig klargestellt, dass dieser Bericht auch von Herstellern von „Legacy-Produkten“ erwartet wird.

Dieser PSUR muss den Marktaufsichtsbehörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden. Der Benannten Stelle muss der PSUR für „legacy-Produkte“ im Rahmen von Überwachungsaudits zugänglich gemacht werden.

Bei mdc werden wir die fristgerechte Umsetzung dieser Vorgaben im Rahmen des Audits detailliert prüfen. Das bedeutet, dass für „Legacy-Produkte“ seit 2021-05-26 ein PMS-Plan vorliegen muss, die Inhalte des Plans müssen die inhaltlichen Anforderungen des Anhang III der MDR erfüllen. Ebenso muss der Plan das Datum der ersten Erstellung bzw. das Intervall für die Aktualisierung des PSUR angeben. Die Fristen zur erstmaligen Erstellung und weiteren Aktualisierung dürfen dabei ein Jahr für Medizinprodukte der Klassen IIb und III sowie zwei Jahre für Medizinprodukte der Klasse IIa nicht überschreiten.

Ab dem im Plan festgelegten Datum muss auch der PSUR vorliegen und wird im Rahmen des Audits inhaltlich (stichprobenartig) geprüft werden. Dabei sind neben der Zusammenschau über meldepflichtige / schwerwiegende Vorkommnisse weitere Informationen dazulegen. Dies beinhaltet beispielsweise

  • eine Übersicht der nicht-schwerwiegenden Vorkommnisse,
  • ein Trending nicht schwerwiegender Vorkommnisse oder erwarteter unerwünschter Nebenwirkungen,
  • die Schlussfolgerungen aus der Nutzen-Risiko-Abwägung,
  • die wichtigsten Ergebnisse des PMCF-Bewertungsberichts, sofern verfügbar, und
  • die Gesamtabsatzmenge des Produkts und eine Schätzung der Anzahl der Anwendungen / Anwendungshäufigkeit.


3. Umgang mit Änderungen an Legacy Produkten

An dieser Stelle möchten wir nochmals an die Bedingungen erinnern, wie für „Legacy-Produkte“ das MDD-Zertifikat weiterhin aufrechterhalten werden kann. Neben der eingangs erwähnten, fortlaufenden Überwachung durch die Benannte Stelle im Rahmen von Audits sowie Stichprobenprüfungen der Technischen Dokumentation dürfen die Produkte keine wesentliche Änderung („significant change“), wie in Artikel 120 (3) definiert und in MDCG 2020-3[4] näher ausgeführt, erfahren. Insbesondere MDCG 2020-3 enthält eine detaillierte Beschreibung einschließlich Beispielen und einem Entscheidungsbaum zur Bewertung einer Änderung. Das Umsetzen einer „significant change“ führt dazu, dass das ausgestellte MDD-Zertifikat seine Gültigkeit verliert. Solch eine Änderung darf nur im Rahmen einer Zertifizierung nach MDR umgesetzt werden.

Davon unabhängig besteht grundsätzlich die Verpflichtung zur Meldung von Änderungen am Produkt, am QM-System, an der Produktpalette usw., welche im Guidance Dokument NBOG 2014-3[5] beschrieben sind. Solche „substancial changes“ werden weiterhin durch die Benannte Stelle bewertet, bevor diese implementiert werden können. Änderungen, welche zwar als „substancial change“ meldepflichtig sind, aber nicht die Definition eines „significant changes“ erfüllen, können nach einer Bewertung durch die Benannte Stelle umgesetzt werden. Bitte kontaktieren Sie im Zweifelsfall das Projektteam.

Im Rahmen des Audits vor Ort wird insbesondere geprüft, ob das Unternehmen Prozesse implementiert hat, um geplante Änderungen zu klassifizieren und, wenn erforderlich, diese der Benannten Stelle anzuzeigen. Des Weiteren sollen die geplanten und umgesetzten Änderungen hinsichtlich ihrer Klassifizierung (significant und/oder substancial) bewertet werden. Der Auditor/die Auditorin müssen die Validität der Einstufung durch den Hersteller bestätigen.


4. Umstellung auf die MDR

Wir möchten an dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass die Übergangsfristen für Zertifikate nach der MDD spätestens mit 2024-05-26 auslaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt muss für alle Produkte der Klassen Im, Ir, Is, IIa, IIb und III mindestens ein Zertifikat nach MDR vorliegen, wenn diese weiterhin in Europa in Verkehr gebracht werden sollen. Für Medizinprodukte der Klasse III müssen beide Zertifikate (Bewertung der technischen Dokumentation und QM-System) nach demselben Regelwerk (MDD oder MDR) gültig sein.

Bei den Zertifizierungsverfahren nach MDR handelt es sich um wirkliche Neuzertifizierungen. Die Verfahren sind sowohl formal als auch inhaltlich mit wesentlich höheren Aufwänden verbunden und benötigen daher signifikant mehr Zeit als unter MDD. Die Erfahrungen aus den ersten 1,5 Jahren haben auch gezeigt, dass die Anforderungen an die Neugestaltung der Technischen Dokumentation immer wieder unterschätzt wurden und daher TD-Prüfberichte mit einer sehr hohen Zahl an Abweichungen keine Seltenheit sind. Um die Zertifizierungsverfahren nach MDR bis zum Ende der Gültigkeit der MDD-Zertifikate rechtzeitig abschließen zu können möchten wir Sie daher ersuchen, das geplante Vorgehen mit Ihrem mdc-Projektteam frühzeitig   abzustimmen – nur mit einer Einreichung der QM-Dokumentation und aller Technischen Dokumentation im Jahr 2022 kann die Möglichkeit einer Zertifizierung unter der MDR bis zum Mai 2024 gewahrt werden. Das Erfordernis einer frühzeitigen Einreichung müssen wir mit der Tatsache auch dahingehend unterstreichen, dass wir derzeit schon einzelnen Bestandskunden aus Ressourcengründen keine Zertifizierung nach der MDR anbieten können.

 

Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung

Daniel Kraushaar                                                         Meinrad Guggenbichler
Bereichsleitung Medizinprodukte                                 Leitung Benannte Stelle Medizinprodukte                                                             

 


[1] MDCG 2021-25: Application of MDR requirements to ‘legacy devices’ and to devices placed on the market prior to 26 May 2021: https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/md_sector/docs/md_mdcg_2021_25_en.pdf

[2] MPDG: Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte: https://www.gesetze-im-internet.de/mpdg/ 

[3] MPG 2021: Medizinproduktegesetz 2021: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011580 

[4] MDCG 2020-3: Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR: https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/md_sector/docs/md_mdcg_guidance_significant_changes_annexes_en.pdf 

[5] NBOG 2014-3: Guidance for manufacturers and Notified Bodies on reporting of Design Changes and Changes of the Quality System: http://www.doks.nbog.eu/Doks/NBOG_BPG_2014_3.pdf